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Leseprobe - Kletterjahre
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Kletterjahre im Wetterstein

Franz Fischer

Meine erste wirklich eindrucksvolle Tour ging von der Bockhütte aus über den großen Hundstall und den Südgrat auf den kleinen Hundstallkopf.  Damals bekam ich zum ersten Mal den richtigen Auftrieb, der mich dann später mit steigender Begeisterung von Gipfel zu Gipfel führte.  Da fragte mich einmal Karl Merk, auch ein junger von "Hoch Empor", ob ich mit ihm den Grat von der Alp- zur Zugspitze machen möchte.  Natürlich wollte ich, und so wurde gleich der nächste Sonntag dafür vorgeschlagen.  Eine Kreuzeckbahn gab es damals noch nicht, so daß wir einen schönen Fußmarsch bis zur Hochalm zurücklegen mußten. Nach einigen Stunden Schlaf ging es weiter über den Hochalmsattel zur Alpspitze, wo uns ein ergreifender Sonnenaufgang den vielversprechenden Tag heraufleuchtete. Das Seil im Rucksack, weil der Grat bis zur inneren Höllentalspitze gut versichert ist, traten wir den Hatscher an.  Nach siebenstündiger Gratwanderung hatten wir dann Deutschlands höchsten Gipfel unter unseren brennenden Fußsohlen und "g'Iangt hat's uns aber auch!".  Doch alle Schweißtropfen wurden mehr als reichlich von der unbeschreiblich schönen Gipfelsicht dieses wolkenlosen Sonnentages belohnt.  Rechts des Grates bannte schon während der Felswanderung das Höllental unsere Blicke in seine Tiefen, und links leuchtete das Reintal mit der blaugrünen Gumpe und dem Schneeferner herauf Drüben aber schnitt der Teufelsgrat mit dem Hochwanner seine scharfen Linien in den stahlblauen Himmel.  Wir glaubten damals gewiß noch nicht, daß wir jemals den Plattenpanzer der'äh ins Reintal abstürzenden Hochwanner-Nordwand bezwingen würden und suchten vergeblich nach einem möglichen Durchstieg. Auf der Zugspitze selbst erweiterte sich die Sicht und überraschte uns mit dem Panorama eines Gipfelmeeres, das die blütenweiß in der Sonne glitzernden Gletscher der Stubaier und Ötztaler Alpen am südlichen Horizont aufwogen ließ.  Die Ketten der Mieminger, Lechtaler, Tannheimer und Allgäuer Berge reihten sich verlockend aneinander und selbst der Säntis winkte Grüße aus der fernen Schweiz herüber.  Anselm Barth, der beliebte Hüttenwirt und tüchtige Bergführer, wurde nicht müde, uns die Namen der bekannteren Gipfel zu nennen.  Damals gab es ja gottlob noch keine Bahnberg-Steiger! Heute hätte er kaum noch Zeit dafür.  Nach langer Rast und ausgiebiger Brotzeit stiegen wir schließlich zur Knorr- und Angerhütte hinunter und wanderten durch das friedliche Reintal zur Bockhütte hinaus.  Die Klubkameraden hatten den Schlüssel für uns bereitgelegt, Wie gewaltig strebte bei unserem Abstieg doch die HochwannerNordwand in den abendlichen Himmel, wie ergreifend war die Bergstille an der Blauen Gumpe und wie verlockend grüßte die Gaif-Südwand zu uns hernieder! ja, die Gaif-Südwand!  Waren es nicht unsere beiden Klubkameraden Heini Schneider und Leo Rittler, die die bergsteigerischen Probleme dieser Wand scharf im Auge hatten?  Vielleicht waren sie,gerade heute oben.  Nach kurzer Rast auf unserer Bockhütte ging es talauswärts in den Alltag.  Karl mußte wieder schreinern und ich in der Backstube schwitzen.  Bunt gaukelten in uns die satten Bilder des so erlebnisreich gewesenen Bergtages. Im Klub fragte uns blinzelnd unser Lehrmeister Heini: "Wia is ganga auf dem langa Gratschlauch und seid's recht derbröselt?" Na, g'Iangt hat's uns freilich, aber es macht nix.  Mir packen's bald wieder".  Daß mir das Wetterstein aber einmal zur zweiten Heimat werden sollte, daran dachte ich allerdings nicht. ja, wenn wir damals immer so gekonnt hätten wie wir wollten, dann wären wir freilich gleich wieder in die Berge gezogen!  So aber hinderte uns der "Mangel an Überfluß" und deshalb erlaubte auch unser magerer Monetenbeutel nicht sogleich die Beschaffung eines eigenen Bergseiles.  Auch brauchten wir einen Paß, denn wir sollten ja nach Kufstein hinüber, den Wilden Kaiser ein bisserl anschauen und dabei gleich den Kopftörlgrat anpacken!  Als es nach einigen Wochen soweit war, da hat uns diese Kraxelei im festen Kaiserfels ganz "narrat" gefallen und wir sind trotz unserer ersten Bekanntschaft mit Steinschlag mit noch größerem Auftrieb heimgefahren. Der nächste schöne Sonntag galt wieder unserer Bockhütte im vertrauten Wetterstein.  Unser Ziel war der Kleine Hundstallkopf über die Ostwand.  Gleich auf dem Weg zur Hütte hatten wir ein lustiges, aber nasses Erlebnis: Stockfinster war es in dieser Nacht.  Licht hatten wir nicht dabei, ich dafür aber neben meinem Rucksack noch eine Zither, die unbedingt auf die Hütte mußte.  Plumps, ich strauchelte an einem vom Unwetter angerichteten Wegabbruch und flog samt der Zither in die lustig rauschende Partnach, mein Spezi Karl natürlich pflichtschuldigst gleich hinterher.  War das eine Gaudi auf der Hütte, als wir zwei pudelnaß im Türrahmen erschienen.  Nun, einen heroischen Anblick gaben wir freilich nicht ab, aber froh waren wir doch, weil uns nicht gleich alle sieben Zwetschgen und vor allem nicht meine Zither davongeschwommen waren. Frühmorgens um 4 Uhr machten wir uns auf den Weg zum Einstieg über den steilen, fast weglosen Hundstall, einen eingelagerten Karkessel zwischen Zundern- und Hundstallkamm, den beiden nordseitigen Ausläufern des iooo Meter ins Reintal abstürzenden Teufelgrates. ja, dieser Weg zum Einstieg war ein alpiner Spaziergang, während dem man sehr selten und dann nur einen zünftigen Bergsteiger antrifft, es sei denn ein Einheimischer, der nach seinen Schafen schaut.  Unter allerhand Feststellungen und Vorwürfen, "wia damisch daß ma san," vertauschten wir unsere Genagelten mit den Kletterpatschen, blätterten dann noch im "Gebetbüchl" des Bergsteigers nach der Routenbeschreibung und verglichen damit genau die vor uns emporschwingende Wand.  Leo Rittler' der große Felsgeher, war diesmal auch dabei, weil er gerade keinen Seilspezi hatte, und machte natürlich den Ersten.  Den Karl hat das zwar ein bisserl geärgert, weil er am liebsten vorausgegangen wäre, aber gesagt hat er nichts.  Eine schöne, wenn auch nicht schwierige Kletterei brachte uns nach etwa vier 4o-Meter-Seillängen zum Quergang unter dem gelben Fleck.  Der Quergang selbst war ein Hochgenuß, etwas luftiger zwar als bisher und griffärmer, doch nicht viel schwieriger.  Dann wurde die Sache etwas ernster!  Leo, der Kalserspezialist', begann bald über das brüchige Gestein zu schimpfen und meinte, daß da schlechte Maurer gearbeitet hätten.  Obwohl die Griffe alle sehr locker waren, warf er keinen Stein auf unsere Köpfe, wenn auch das Seil ab und zu etwas in Bewegung setzte, das unserer jugendlichen Schönheit hätte schaden können. Nach dreieinhalbstündiger Kletterei waren wir auf dem herrlich einsamen Gipfel und genossen den Blick in den kleinen Hundstall, ins Reintal hinüber zum Gaifgrat, zum Blassenkamm und zum jubiläumsgrat.  In einer verrosteten Zigarettenschachtel lasen wir Namen wie Paul Preuß, Heis, Anderl Sattler u.a. Wären diese Männer vor uns gestanden, dann hätten wir wohl mit weit aufgerissenen Mäulern zu ihnen hinaufgeschaut.  Lange saßen wir auf dem Gipfel, verschlangen unsere Brotzeit, bliesen blauen Rauch in den blauen Himmel und sangen ein paar lustige Lieder.  Leo war ja berühmt wegen seiner "erschütternden' Stimme und übertraf uns zwei Anfänger zusammen um einige Lautstärken. Als nächste Unternehmung hatten wir die Zundernkopf-Ostwand im Oberreintal ins Auge gefaßt, mußten sie aber um einige Wochen verschieben, weil halt der weltberühmte Salzburger Schnürlregen leider auch nicht gar so selten im Wetterstein daheim ist.  Mit Holzmachen und anderer Hüttenbeschäftigung überstanden wir die letschaten' Sonntage und waren schließlich überglücklich, als uns der launische Wettergott endlich wieder einen vernünftigen Sonntag schenkte.  Und da waren wir gleich im oberen Reintal, stiegen zur Waldgrenze am Oberreintalboden über die kurzen, stellen Serpentinen hinauf und erfreuten uns wieder an diesem herrlichen Bergfleckchen.  Wild und wuchtig stehen ringsum Türmchen und Gipfel, ziehen sich mit ihren Wänden und Graten hinauf zur mächtigen Dreitorspitze, stürzen hinunter in das Schüssel- und Scharnitzkar, in das Reintalkar und gehen über in saftig grüne Matten.  Zwischen alten, ehrwürdigen Ahornbäumen steht die kleine Hütte der Sektion Garmisch-Partenkirchen. Ist doch das Oberreintal ein Gegenstück zur Steinernen Rinne im Wilden Kaiser, ebenso umgeben vom Rund der Gipfel und Wände mit all ihrer Wucht, wenn auch die Felsen hier nicht so unnahbar wie die senkrechten Kalserwände dem Himmel sich entgegenrecken. Bald erkannten wir auch unseren Gipfel mit seiner Ostwand.  Als hätte uns der Berg gestohlen werden können, so rannten wir hinauf zum Einstieg.  Die ersten zwei Seillängen waren gerade schön zum Warmwerden, und dann folgte ein Überhang, der für heutige Begriffe jedoch gar keiner mehr ist.  Nach drei leichteren Seillängen standen wir schließlich am Beginn der eigentlich erst genußvollen Kletterei.  Zuerst ging es luftig an einem Pfeiler empor, dann über eine Rißreihe bis zum 8o Meter unter dem Gipfel befindlichen Ausstieg. Bei dieser Tour machte ich erstmalig fühlbare Bekanntschaft mit einem Steinschlag.  Mußte es doch so einem vom Seil losgelösten Egon" (so nennen wir diese verteufelten Steingeschosse) einfallen, ausgerechnet auf meinem Haupte zu landen, so daß die betroffene Stelle mit einem beträchtlichen Loch bedacht wurde.  Angenehm war das gerade nicht, das muß ich schon sagen. Nach kurzer Gipfelrast stiegen wir über die Ostschlucht ab ins Oberreintalkar.  Unterwegs trafen wir zwei andere Bergsteiger, die vom Oberreintalturm herunterkämen.  Der eine hatte wie ich einen verbundenen Schädel und entpuppte sich als Hans Ertl.  Der andere war der Heckmair Anderl.  Unsere Bekanntschaft mit diesen beiden Bergsteigern ist inzwischen 2o Jahre alt geworden und es waren gewiß keine verdrießlichen Tage und nicht immer zahme Touren, die wir in den zwei Jahrzehnten unserer Bergkameradschaft miteinander erlebten.  Der Zundernkopf mit seiner Ostwand wurde mein liebster Berg, und I946, als ich mit Anderl Heckmair wieder nach Durchsteigung der Ostwand auf seinem Gipfel stand, da war es zum 53.  Male! Der Oberreintalturm ist wie der Zundernkopf leicht und schnell zu erreichen.  Seine zünftigen Kletterrouten machten ihn zum Hüttenberg.  Nur ein paar Stunden schönen Wetters reichen für die Südwestkante oder für die Westwand aus.  Ernster und schwerer dagegen ist die Ostwand, und der Ostpfeiler zählt ja bekanntlich zu den schwersten Touren im Hüttenbereich.  Der Bergsommer ging seinem Ende entgegen, nicht aber unser unbändiger Auftrieb, der in uns schon wieder neue Pläne für das nächste Kletterjahr reifen ließ.  Selbst im Winter besuchten wir das Oberreintal und trugen unvergeßliche Eindrücke von diesen Skitouren inmitten der weißen Majestät des Bergwinters im Wetterstein nach Hause.  Ernst Krebs und unser lieber Toni Schmid, der allzufrüh ein Opfer seiner so heißgeliebten Berge wurde, waren mit uns wohl die ersten, die auch im Winter das Oberreintal aufsuchten. Der darauffolgende Sommer sah uns oft wochenlang als Arbeitslose 1 ergkaim Wetterstein.  Abwechselnd radelte von uns fünf bis sechs Bergkameraden ein Freund in die Stadt zum Arbeitsamt und erledigte für uns alle das Stempelgeschäft.  Die Eisenbahn wurde zwecks "Mangel an Überfluß" großzügig verschmäht.  Damals gab es wenigstens für unsere spärlichen Groschen genügend zum Futtern, so daß uns Begriffe wie "Kalorien" und Vitamine' bei einigermaßen vollem Magen Fremdwörter geblieben sind.  Nicht vergessen möchte ich an dieser Stelle, im Namen unseres Freundeskreises jenen zwei Hüttenwirten zu danken, die uns durch ihre Hilfe unseren Aufenthalt oft um Wochen verlängerten.  Auf der Mellerhütte war es der gute Reindlvater mit seiner fleißigen Frau, und im Reintal Peter Lipf von der Angerhütte.  Wir halfen damals beim Holzen, beim Wegemachen oder trugen Wasser. Die Dreitorspitzen und der Musterstein sind im Gebiete der Meilerhütte für den Kletterer wohl die verlockendsten Anziehungspunkte, denn ihre Tourenmöglichkeiten bieten vom Leichtesten bis zum Schwersten alles, was ein Bergsteigerherz begehrt.  Ihres festen Gesteins wegen, das keine allzu großen Schwierigkeiten birgt, wird die Führe durch die Ostwand der Partenkirchener Dreitorspitze am öftesten für diesen Gipfel gewählt, der eine umfassende Fernsicht vom Großglockner bis hinüber zu den Ötztaler Gletscherbergen bietet.  Die Ostkante dagegen verlangt schon mehr Können, wird aber fast ebenso oft begangen.  Wirklich überlegtes und sauberes Klettern fordert aber die schwere Führe durch die Nordwand des Mittelgipfels.  Auch die Südwände des Mustersteins werden gerne von Bergsteigern gewählt und sind es wirklich wert, ganz gleich ob über die Leberle-, Hannemann-, Aßn-Glaser-, Spindler-, Wolf- oder gar über die Kubanek-Spindler-Route.  Inzwischen hat man noch einen Südpfeller und einen direkten Durchstieg ausfindig gemacht, zwei Routen, die zweifelsohne das Äußerste verlangen.  Dieses Gebiet gehörte nun zu unserem Kletterparadies, in dem wir trotz der Not der damaligen Zeit gesunde und lebensfreudige junge Menschen blieben. Nach ein paar Eingehtouren im Oberreintal beschlossen Karl und ich, die Gaif-Südwand anzupacken.  Leo Rittler und Heini Schneider, unsere beiden Klubfreunde, waren unsere ersten Vorgänger in dieser Wand.  Aber, o wehe: Eines Morgens suchten wir vergeblich den Einstieg.  Karl hatte längst aufgegeben und ließ sich in der prallen Sonne schmoren.  Erst in den späten Nachmittagsstunden fand ich endlich die richtige Stelle, konnte jedoch Karl nicht mehr bewegen, einzusteigen.  Schlechter Laune und unverrichteter Dinge stiegen wir wieder ab.  Am nächsten Sonntag war ich aber wieder da!  Geregnet hats zwar in Strömen, als ich am Bahnhof vergeblich auf Karl wartete, und so fuhr ich mit Gustl Findl, dessen Gefährte auch nicht gekommen war, nach Garmisch.  Erst während unseres gemeinsamen Weges zur Bockhütte, bei dem uns die Regenschirme gute Dienste leisteten, hörte ich von Gustl, daß auch er mit seinem Spezi die Gaif-Südwand machen wollte.  Platzen hätte ich können vor Lachen und Schadenfreude, als er mir anvertraute, daß auch sie vor 14 Tagen ohne Erfolg den verflixten Einstieg gesucht hatten. Bei diesem Hundewetter waren wir natürlich die einzigen in der Hütte, und so fiel uns nichts anderes ein, als nach ein paar Pfannen Schmarrn unsere Glieder zu strecken.  Der Regen trommelte auf das Schindeldach.  Da war es wirklich eine Überraschung, als bei mir durch den reichlichen Teegenuß der Wecker schon etwas früher als bei Gustl ablief und ich dabei bemerken konnte, daß die Regenwolken abgezogen waren.  Gleich wurde Gustl geweckt, ein bisserl unsanft zwar, aber Hauptsache war ja, daß er rasch zu sich kam und ich ihm den Wetterbericht freudig mitteilen konnte.  Lange hat es nicht gedauert, bis wir uns für die Gaif-Südwand geeinigt hatten.  Keuchend und mit Schweißperlen auf der Stime stapften wir den steilen, kaum erkennbaren Pfad hinauf zu den Schützengufeln.  Das Wetter wurde immer schöner und bald brannte der "Planet' unbarmherzig auf unsere Buckel.  Gustl bedauerte, daß noch keiner Bierwürfel erfunden hatte.  Der Durst quälte uns wirklich sakrisch!  Während wir unsere Schuhe wechselten, meinte Gustl: "i moa allaweil, du tatst liaba den Steig aufd' Angerhüttn gehn!' Eine steile, plattige Felsrinne führte uns rasch hinauf unter die Südwand.  Nach dem Einstieg brauchten wir nicht mehr lange zu suchen.  Gustl konnte es nicht glauben, daß er gerade hier sein sollte, bis ich ihm den ersten Mauerhaken unterm Überhang am Ende des Einstiegsquergangs zeigte.  Schnell waren wir angeseilt und dann ging es frisch und munter über den Quergang zum ersten Standplatz.  Bald war auch Gustl da und übernahm die zweite Seillänge.  Es wurde nun schon etwas bissiger.  Einigemale glaubte ich, Gustl "blasen' zu hören.  Gelassen sicherte ich, schaute dann hinunter zur Blauen Gumpe und hinüber zu den beiden Hundställen und zur Riesenmauer des Hochwanners. Doch nicht lange blieb mir Zeit zum Bewundern, denn Gustl war rasch mit seiner Seillänge fertig, schlug einen Standhaken und rief mir sein "Franze, auf gehts"! zu.  Nach einigen Metern verstand ich Gustls Blasen, denn die Schwierigkeiten waren bei dieser Seillänge bedeutend größer als zuvor.  Wand- und Rißstellen wechselten ab, jeder Griff hielt eisern.  Bald waren wir an der Verschneidung, die nach den Berichten unserer Vorgänger Heini und Leo wohl als die schwerste Stelle dieser Tour zu bezeichnen ist.  Mit Respekt ging ich drauf los und weiß heute selbst nicht mehr, wie alles funktionierte.  Als ich mich schön hergerichtet hatte zum Nachsichern, zündete ich mir eine Zigarette an und ließ Gustl nachkommen.  Gustl ging weiter.  Nach einigen Metern hörte ich ihn nageln.  Auf meine Frage, ob es schwieriger würde, rief er mir zu, daß er sich halt ein bisserl verstiegen hätte, den nächsten Haken aber schon sehe.  Langsam schlich das Seil durch meine Hände.  Da ertönte schon sein "Auf gehts!" Raus mit der Selbstsicherung und weiter!  Aber nicht lange, denn Gustl war ja einige Meter falsch geklettert: statt schräg nach rechts, hatte er seinen Weg gerade hinauf gesucht.  Ich mußte jedenfalls zum Haken, konnte droben aber nicht gut stehen.  So blöd habe ich mich während meiner ganzen Kletterei nicht angestellt wie da!  Ich hängte nämlich aus und benützte den Haken als Griff, um für die Füße einen besseren Stand zu suchen. ja, das wäre ganz recht gewesen, wenn ich nicht in die Öse gegriffen hätte, denn dadurch rutschte ich etwas ab und dehnte mir einen meiner Finger, daß er dick wurde und ich ihn nicht mehr heraus brachte.  Zuerst probierte ich in aller Ruhe herum, es ging nicht, da wurde ich unruhiger und es ging erst recht nicht.  Schließlich packte mich die Wut.  Gustl grinste wie ein Senegalneger und schmeichelte mir mit allerhand Kosenamen auf gut Münchnerisch, die bei mir aber ein saftiges Echo fanden.  Ich wußte mir wirklich nicht mehr zu helfen und wollte mir in meiner Verzweiflung den Finger wegschlagen.  Da ließ sich aber denn doch Gustl vernehmen und riet mir: "Du Depp, hau doch den Haken raus!" ja, das war mir in meiner Aufregung wirklich nicht eingefallen!  Ausgerechnet war ich aber mit der Rechten angenagelt und konnte mit der Linken nicht gut zielen.  Wie oft ich mir deshalb auf die Finger geschlagen habe, bis das Blut zu fließen begann, das weiß ich nicht mehr! Endlich ging das Luder von einem Haken heraus! 0 mei! so schnell bin ich jedenfalls nie mehr eine halbe Seillänge gerast, denn mit meinein Schmalz war es aus.  Es war nur gut, daß der Stand für uns genügend Platz zum Sitzen bot.  Gustls Gelächter höre ch noch heute und wohl oder übel mußte ich mitlachen, obwohl mir die Hand brannte. Nach altbäuerlichem Rezept reinigte ich mir an Ort und Stelle die Hand an ureigenster Quelle. Mittags saßen wir auf dem Gipfel und bewunderten die Aussicht, das heißt, der Gustl allein, denn ich machte nur dauernd Versuche, den Haken vom blutigen Finger zu bringen.  Wohl oder übel mußte ich aber wieder mit dem Glump an der Hand hinunter.  Ein sauberer Abstieg war das!  Kaum waren wir auf der Bockhütte, weichte ich meine gußeiserne Hand in einem Kernseifenbad so lange auf, bis endlich der Teufelshaken herunterging.  Für mein Leben wird mir die zweite Begehung der Gaif-Südwand in Erinnerung bleiben, erstens wegen meines Ungeschicks und zweitens deshalb, weil sie meine erste und letzte Bergfahrt mit Freund Gustl war, denn gleich der nächste Sonntag wurde ihm zum Verhängnis.  An der Nordkante der Dreitorspitze stürzte ein herausbrechender Block Freund Gustl in die Tiefe.  Nach monatelangem Krankenhaus-Aufenthalt verschied er an den schweren Folgen dieses tragischen Sturzes.

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